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Ansichtssachen

Gewerbe domols - Süßmosterei

"Moderne Süßmostanlage in Betrieb"

Unter dieser Überschrift berichtete die Saarbrücker Zeitung im Herbst 1956 über die Einweihung der Süßmosterei der Obstverwertungsgenossenschaft „Oberes Haustadter Tal“ in Hargarten.
Ein Jahr zuvor, im Herbst 1955, hatten sich Obstbauern aus dem oberen Haustadter Tal, und zwar aus Reimsbach, Erbringen, Hargarten und Rissenthal zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen. Zum Vorsitzenden der Genossenschaft wurde Jakob Göttert aus Hargarten gewählt. Die Obstverwertungsstelle und Süßmostanlage wurde an der Kreuzung Hargarten – Rissenthal, gegenüber dem ehemaligen Zollhaus in Hargarten, erbaut. Dieser Platz war insofern günstig, da er für alle Beteiligten gut zu erreichen, also zentral gelegen war.

Versammlung im Gasthaus Puhl
Mosterei3 Zur Versammlung und der anschließenden Einweihungsfeier hatte der Vorsitzender Jakob Göttert die Mitglieder in das Gasthaus Puhl in Hargarten eingeladen. Wie die Saarbrücker Zeitung weiter schrieb, waren zahlreiche Mitglieder der Genossenschaft zur Versammlung erschienen. Auch viele Gäste von der Amtsverwaltung Beckingen mit Amtsbürgermeister Alois Jacobs, Sachreferenten des Landratsamtes und die Bürgermeister der seinerzeit selbständigen Gemeinden (heute Gemeindebezirke) konnte Göttert begrüßen.
Der Vorsitzende konnte den Versammlungsteilnehmern und den Gästen mitteilen, dass ihnen nun das erste Erzeugnis angeboten werde, nämlich Apfelsaft aus der eigenen Anlage. Sodann erörterte er, laut Zeitungsbericht, den Werdegang der jungen Genossenschaft von der Gründung im Herbst 1955 bis zum Tag der Versammlung. Viele Schwierigkeiten mussten aus dem Wege geräumt werden, ehe mit dem Bau begonnen werden konnte. Göttert dankte den Mitgliedern für die treue Mitarbeit.

FinanzierungsplanMosterei4
H. Schuler erläuterte den Finanzierungsplan. Es sei erfreulich, dass durch Zuschüsse von Regierung, Kreis und den Gemeinden ein wesentlicher Teil des notwendigen Kapitals aufgebracht werden konnte. Mosterei5Die Regierung gab einen Zuschuss von 1.300 000 Frs., der Kreis 300 000 Frs. und jede Gemeinde, also die heutigen Gemeindebezirke, jeweils 200 000 Frs. An Mitgliederbeiträgen wurden lt. Schuler bis zum Tag der Versammlung 500 000 Frs. aufgebracht. Die Obstverwertungsgenossenschaft umfasste seinerzeit 100 Mitglieder, deren Geschäftsanteil pro Mitglied 5000 Frs. betrug. Pro Mitglied konnten bis zu 100 Geschäftsanteile erworben werden. Bei der Raiffeisenkasse Rissenthal wurde ein Darlehen von drei Millionen Frs. aufgenommen, so dass mit dem Kapital die größten Auslagen gedeckt werden konnten. Die Gesamtkosten der Anlage beliefen sich auf etwa sieben Millionen Frs.
(Anmerkung: Einer Million Frs. stand damals ein Umtauschwert von ca. 10.000 DM gegenüber. Die seinerzeitige höhere Kaufkraft dieses Wertes muss man jedoch berücksichtigen.)

Inbetriebnahme
Mosterei6Der erste Betriebsleiter Alfons Meiers aus Rissenthal teilte in der Versammlung mit, dass die Anlage seit dem 23.10.1956 voll in Betrieb sei.
Nach der Versammlung im Gasthaus Puhl fand die feierliche Einsegnung der Obstverwertungsstelle statt, die Pastor Zimmer aus Reimsbach vornahm. Anschließend wurde die Anlage durch die Mitglieder besichtigt. Diese moderne Süßmosterei war nicht nur für die Mitglieder der Genossenschaft, sondern auch für Nichtmitglieder gedacht. Allerdings erhielten die Mitglieder eine Vergünstigung.

Weiterer Verlauf bis zur Auflösung der GenossenschaftMosterei2
Auf Betriebsleiter Alfons Meiers folgte Anton (Toni) Kerber aus Hargarten als Geschäftsführer und Betriebsleiter der Genossenschaft. Wie Anton Kerber berichtet, war der Betrieb bzw. die Genossenschaft nach wenigen Jahren infolge der Zinslasten und der Personalkosten überschuldet. Die Kelterei hätte sich gelohnt, die Herstellung und Vermarktung von Apfelsaft sei jedoch ein Zusatzgeschäft gewesen. Kurzfristig habe man auch Johannisbeerensaft hergestellt, was auch nicht rentabel gewesen sei. Auf Grund der Finanzsituation habe man die Geschäftsanteile verdoppelt, so dass vorübergehend weitergearbeitet werden konnte.
Nach der Umstellung auf die D-Mark (5.7./6.7.1959) war der Betrieb auch nicht mehr zu anderen Anbietern im Landkreis konkurrenzfähig. Mosterei7Die Genossenschaft wurde sodann aufgelöst und die Anteilseigner erhielten einen Teil ihrer Einlagen wieder zurück. Anzumerken ist, dass die Genossenschaft nicht in Konkurs (heute Insolvenz) ging, sondern durch die Mitglieder der Genossenschaft aufgelöst wurde.

Eigentümerwechsel
Nach der Auflösung der Genossenschaft wurde die Süßmosterei im Jahre 1962 im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung durch die Gebrüder Theo und Franz Neisius aus Hargarten erworben.
Bis etwa 1972/1973 wurde von den neuen Betreibern von den Obstbauern aus der Umgebung angelieferten Äpfeln, Apfelsaft zum Eigenverbrauch hergestellt. Bei diesen Arbeiten halfen überwiegend Familienangehörige und Verwandte der Gebrüder Neisius mit.
Nach der Einstellung der Apfelsaftproduktion wurde nur noch die Kelterei betrieben.
Die Süßmosterei bzw. Kelterei wurde im Jahre 1997 endgültig geschlossen.

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